Die Kolonialmacht sucht förmlich nach einem Grund, ihn endlich komplett zu unterwerfen und den Menschen den Fortschritt zu bringen, oder das was die Holländer dafür halten.
Einen Grund finden Sie, als ein gestrandetes, chinesisches Schiff geplündert wird. Den Einwohnern der Küstendörfer erscheint es ganz logisch, dass ein gestrandetes Schiff ihnen gehört. Denn wenn die Götter ihnen das Material und die Ladung nicht schenken wollten, wieso sollten sie es dann auf ihren Strand werfen?
Der Eigentümer sieht das natürlich ganz anders und klagt bei den Holländern. Immer größer wird die Summe die angeblich gestohlen wurde, immer lauter die Beschwerden. Der Fürstenhof von Badung interessiert sich dagegen herzlich wenig dafür, schon zu viel mussten sie von den unhöflichen Fremden hinnehmen.
Bis die Kolonialisten schließlich Truppen losschicken und das Schicksal seinen Lauf nimmt. Kurz darauf ist Bali unterworfen und viele Menschen mussten ihr Leben lassen. Die Schriftstellerin Vicki Baum greift in ihrem Roman die geschichtlichen Fakten auf und verpackt sie in eine ergreifende Geschichte. Sie erzählt von Pak, dem Bauern, seiner Familie, seinen kleinen und großen Sorgen.
Vicki Baum: Liebe und Tod auf Bali
Kiepenheuer & Witsch, 2007, 525 Seiten
Format 18,8 x 12,4 x 3,2 cm
ISBN-10: 3462037994
ISBN-13: 9783462037999
Sie erzählt von Raka dem schönen Tänzer, enger Freund des Fürsten und Schwarm aller Frauen. Sie erzählt von Alit, dem Radja, einem stolzen Herrscher dem sein Stolz schließlich zum Verhängnis wird. Zumindest nach Europäischen Maßstäben. Sie erzählt von allen anderen Bewohnern des Dorfes Taman Sari in der Nähe von Sanur und von den Menschen die den Palast von Badung bewohnen.
Aber auch die Holländer kommen zur Wort, auch ihre Geschichten werden erzählt, auch ihre Beweggründe finden Eingang in die Geschichte. In diesem Roman treffen zwei Welten aufeinander, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Auf der einen Seite die Europäer mit ihren Vorstellungen von Moral und Anstand und dem festen Willen die vermeintlich wilden Kreaturen unterwerfen zu müssen. Auf der anderen Seite die Welt der Balinesen, tief verwurzelt in Glaube und Religion, aber dennoch mit beiden Beinen fest auf dem Boden stehend. Wenn man ihre Geschichten so liest, stellt man fest, dass sich die Inselbewohner gar nicht so arg von uns unterscheiden.
Auch sie kümmern sich liebevoll um Frau und Kind, bestellen ihre Felder, haben mit der Obrigkeit so ihre kleinen Querelen oder sorgen sich um die Zukunft. Auch sie machen manchmal Unsinn, gehen Fremd, werden erwischt, streiten und verwetten ihr Geld beim Hahnenkampf. So folgt der Leser der Geschichte einfacher Bauern, Tänzer, Priester und Fürsten, erhält Einblick in ihr Leben. Leider gibt es für viele von ihnen keine schönes Ende, denn die Holländer siegen und hinterlassen zerstörte Dörfer, ruinierte Familien und viele Tote. Dennoch ist es kein trauriges Buch, denn trotz allem Unglück schaffen es die Charaktere allesamt, durch ihren Glauben an das Gute und an ihre Götter und Dämonen auch die schlimmsten Zeiten zu überstehen. Das Leben geht eben doch immer weiter, selbst für die Toten.
Fazit
Für jeden der sich auch nur im Ansatz für Bali und seine Kultur interessiert, ist dieses Buch ein Muss. Die Personen sind zwar vermutlich frei erfunden, die Geschichte stimmt aber und auch das Leben und die Kultur der Balinesen wird haarklein erzählt. Man erfährt hier auf fast spielerische Art und Weise mehr über Bali als man es aus jedem Fachbuch oder jeden Reiseführer könnte. Zu diesem Roman inspiriert wurde die Autorin nach einem mehrmonatigen Aufenthalt auf der damals noch gänzlich unerschlossenen Insel. Sie fängt mit ihrer Geschichte einen wichtigen historischen Wendepunkt der Geschichte Balis ein und hat so die vermutlich beste literarische Einführung in die Kultur Balis geschaffen.
Die Autorin
Vicki Baum wurde am 24. Januar 1888 in Wien geboren und starb am 29. August 1960 in Hollywood. Zunächst war sie Musikerin, ab 1926 Redakteurin in Berlin, ab 1931 in den USA. Verheiratet war sie mit dem Dirigenten R. Lert. Ihre Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und teilweise verfilmt.