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Volker Gottowik: Die Erfindung des Barong

Buchcover von die Erfindung des Barong

Die Erfindung des Barong von Volker Gottowik, 
Reimer Verlag

Der Barong ist wohl eine der bekanntesten Figuren der balinesischen Kultur. Zahllose Theateraufführungen, Mythen und Legenden ranken sich um diese Fabelgestalt.

Ebenso zahlreich sind mittlerweile seine für Touristen inszenierten Vorstellungen. Entsprechend groß war auch immer schon das Interesse diverser auf Bali tätiger Ethnologen an der Figur des Barong. Schon alleine weil seine Figur in so großer Vielfalt in Erscheinung tritt, oft von Dorf zu Dorf verschieden.

Immer und immer wieder wurde und wird der Barong neu interpretiert und in neuem Kontext gezeigt. Der Autor versucht in einer Studie eine Antwort darauf zu finden, was die Barong-Figuren in der Ethnologie bedeuten und was sie vor allem den Balinesen bedeuten. Er versucht eine Zusammenfassung zu erstellen, wie sich der Barong zu der zentralen Figur entwickeln konnte, der er heute auf Bali ist.

Dabei behandelt er auch erstmals eine ganz spezielle Form des Barong, den Barong Landung, eine schöne weiße Frau an der Seite eines schwarzen wilden Mannes. Den Balinesen zufolge ist die weiße Frau eine Chinesin, was die Frage aufwirft, wie eine Chinesin in das Zentrum hindu-balinesischer Rituale gelangen konnte.

Und was soll ausgedrückt werden, wenn diese Figuren im Rahmen religiöser Rituale singen und tanzen, während die ganze Insel gerade in anti-chinesischen Aktionen versinkt? Der Autor beginnt sein Buch mit einer kurzen Erläuterung wie er überhaupt dazu kam sich auf Bali gerade mit der Figur des Barong Landung zu beschäftigen. Er beschreibt, wie er bei einem Aufenthalt drei völlig verschiedene Interpretationen des Figurenpaares fand, die miteinander unvereinbar erschienen.

Bibliographische Angaben:

Volker Gottowik: Die Erfindung des Barong
Reimer, 2005, 531 Seiten
Format 24 x 17 x 2,4 cm
ISBN-10: 3496027843
ISBN-13: 9783496027843


Das weckte seine Neugier und er begann sich intensiver mit den Wurzeln dieser speziellen Art des Barong auseinanderzusetzen. Zunächst jedoch geht er in seinem Buch auf die ebenso interessante wie wechselhafte Geschichte der ethnographischen Forschung auf Bali ein.

Angefangen im frühen 19. Jahrhundert als Forschung auf Bali nahezu mit Plünderung von Bibliotheken gleichgesetzt werden konnte und man Bali nur als Schlüssel zur indischen und altjavanischen Kultur betrachtete.

Zu dieser Zeit richtete sich das Interesse der Ethnologen noch rein auf die Kaste der Brahmanen auf Bali, denn in diesen sahen sie die Gelehrten und die Bewahrer der balinesischen Kultur. Den Barong in seinen diversen Erscheinungsformen nahm man damals allenfalls beiläufig wahr, denn die Brahmanen sehen in ihm auch heute noch allenfalls eine Spielart des Aberglauben.
 

Buchcover von die Erfindung des Barong

Die Erfindung des Barong

Für alle die tiefer in die Kultur Balis einsteigen möchten, ist dieses Fachbuch eine wahre Fundgrube an Informationen
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Im 20. Jahrhundert änderte sich die Ausrichtung der Forschungen allerdings, denn nun richtete sie sich mehr an pragmatischen Gesichtspunkten aus, immerhin wollte man Bali nun kolonialisieren und musste sich so intensiv mit den Menschen und den Dorfgemeinschaften beschäftigen. Der Barong rückte also, zusammen mit den Menschen, ins Blickfeld der Forscher und ein kometenhafter Aufstieg in der Literatur folgte. Allerdings immer nur in Form des Barong Ket, des tiergestaltigen Barong im Kampf gegen die böse Hexe Rangda.

Barong Landung führte weiterhin ein Schattendasein, allenfalls eine Randbemerkung wert. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lässt das Interesse westlicher Forscher am Barong dann wieder nach, dafür erscheint er jetzt in jedem Reiseführer sozusagen als Leitfigur der balinesischen Kultur, wenn auch nicht immer korrekt dargestellt und häufig rein für Touristen inszeniert. Ein Grund mehr für den Autor, sich nicht mit dem Mainstream zu beschäftigen, sondern mit dem Barong Landung, dem mysteriösen Pärchen. Dieses wird in den folgenden Kapiteln in allen Einzelheiten und Erscheinungsformen beschrieben.

Auch versucht der Autor diverse Deutungen dieses Figurenpaares im Zusammenhang mit der balinesischen Kultur und Gesellschaft zu erörtern und er versucht das dualistische Prinzip hinter den Figuren mit dem dualistischen Prinzip des indonesischen Raumes in Einklang zu bringen. Es folgt die Beschäftigung mit Barong Landung im rituellen Kontext, denn die Figuren sind ja nicht nur leblose Ausstellungsstücke im Tempel, sondern Bestandteil von vielen Ritualen und Legenden und damit höchst lebhaft. Dabei ist die Bedeutung der Figuren und Rituale keineswegs eindeutig, selbst unter den Akteuren finden sich teils widersprüchliche Aussagen und erst recht von Dorf zu Dorf oder Region zu Region.

Zuweilen verbinden sich in den Vorstellungen Mythen aus alter Zeit mit dem Ritual, zuweilen scheinen die Handlungen der Figuren keinerlei Verbindung zu früheren Begebenheiten zu haben. Auch die Interaktion zwischen Barong Landung und den anderen Barongs ist vielgestaltig und recht spannend. Der nächste Punkt widmet sich deshalb intensiv dem Wissen um die Herkunft der Geschichten die der Barong aufführt. Dieses scheint nicht konsistent vorhanden zu sein, selbst die Akteure wissen oft nur was sie aufzuführen haben, woher das aber kommt ist nur teilweise bekannt.

Es gibt dennoch einige Versionen, viele davon sehen in den beiden Barongfiguren symbolisch die Wurzeln Balis in Indien und China, andere führen die Figuren auf real existierende Personen zurück, die einst auf Bali lebten, wieder andere sehen den Barong Landung als Abwehr gegen einen Dämon. Die Art und Deutung dieser Geschichten hängt wiederum davon ab, welche Volksgruppe auf Bali sie sich erzählt. So sehen die Balinesen im Süden der Insel die Geschichten anders, als die Bali Aga, die Chinesen oder ausländische Forscher. Abschließend widmet sich der Autor noch den Liedern und Dialogen des Barong Landung, denn im Gegensatz zu den zoomorphen Barongs wie Barong Ket, können Barong Landung singen und tanzen.

Ergänzt werden sie Ausführungen durch einen umfangreichen Bildanhang, Übersetzungen von Erzählungen rund um Barong Landung, sowie übersetzte Liedtexte.

Fazit

Für alle die tiefer in die Kultur Balis einsteigen möchten, ist das Buch eine wahre Fundgrube an Informationen. Natürlich liest es sich nicht so leicht wie ein Reiseführer, es ist eben ein Fachbuch aber als solches eines, das in keinem Bali-Bücherregal fehlen sollte. Neben den Informationen zum Barong Landung erfährt der Leser viel Wissenswertes über die Kultur Balis und das Selbstverständnis der Balinesen.

Autor

Dr. phil. habil. Volker Gottowik ist Ethnologe und Privatdozent an der Universität Frankfurt.

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